niedersachsen
Donnerstag, 06. Juni 2024
Meppen, Landkreis Emsland, Niedersachsen
News-Nr.: 44478

Drogenskandal in der JVA Meppen?
Insassen beschweren sich über massive Drogenprobleme in der Einrichtung - Anstaltsleitung soll Warnung ignorieren, Beamte sollen sich über Betroffene lustig machen - Häftlinge konsumieren vor laufender Kamera Drogen und sprechen davon, dass 16 von 20 Insassen Drogen nehmen: „Du kommst also Normalo rein und als Junkie raus.“ - Zudem schwere Kritik an nicht vorhandener Resozialisierung und desolaten Zellenzuständen

Gewalt an der Tagesordnung - Mehrere Häftlinge sprechen durch eingeschmuggeltes Videohandy in ihren Zellen über dramatische Zustände und bitten die Öffentlickeit um Hilfe: „Wir sind alles Verbrecher und keine Unschuldslämmer, aber wir müssen auch nicht wie Tiere gehalten werden“ – Justizministerium weist Kritik zurück, räumt aber zeitgleich alleine in der JVA Meppen im Jahr 2023 drogenbedingte Rettungswagen-Einsätze ein - Wir haben mit mehreren Insassen in dem Gefängnis gesprochen und haben Drogen sowie Zimmerzustände im Bild

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Datum: Donnerstag, 06. Juni 2024

Ort: Meppen, Landkreis Emsland, Niedersachsen

 

(ch) Ist die Justizvollzugsanstalt in Meppen ein Umschlagsplatz für Drogen, bei der Beamte und Anstaltsleitung wissentlich wegschauen? Gleich mehrere Häftlinge erheben genau diese und noch andere heftige Vorwürfe. Dabei haben sie sich selbst gefilmt – mit einem in das Gefängnis eingeschmuggelten Handy -, um die Öffentlichkeit auf die Missstände aufmerksam zu machen und einen Hilferuf zu senden: „Wir sind alles Verbrecher und keine Unschuldslämmer, aber wir müssen auch nicht wie Tiere gehalten werden. Ein bisschen Menschlichkeit benötigt es, aber die fehlt in jeder Form.“

Einer der redet, ist Eugen. Er ist seit dem Frühjahr aus dem Gefängnis entlassen und wendet sich als erster an die Öffentlichkeit: „Die Beamte sehen es und schauen einfach weg.“ Eine andere Erkenntnis ist noch erschreckender. „Du sieht die Leute normal reinkommen und als Junkie wieder rausgehen“, so Eugen. Vor allem Spice, oder auch Schnibbsel oder einfach Papier genannt, sind hoch im Kurs. Für 5 Euro gibt es einen winzigen Papierfetzen. Auf diesem ist eine synthetische Droge gesprüht worden, die über eine Zigarette geraucht wird. Die Wirkung tritt sofort ein und hält rund 20 Minuten an. Wie Zombies würden die Menschen durch die Gänge laufen. Die Beamte sehen dies zwar, aber reagieren nicht: „Sie sagen, sie haben keine Lust die Berichte zu schreiben. Und wenn Gefangene unter Drogen sind, sind sie ruhig und wir, die Beamten, haben unsere Ruhe.“ In einer anderen Situation sei ein Insasse "todesdicht" durch den Gang getorkelt. Die Reaktion des Beamten? "Na, ihnen geht’s auch gut heute!"

Doch das Suchtpotential ist enorm. Viele Häftlinge befinden sich mittlerweile in einer Schuldenspirale, müssen ihre Einkäufe im Wert von 70 Euro für eine Handvoll Schnibsel abgeben, ihre Familien belügen, um mehr Geld zu bekommen, oder sogar Angehörige unter Druck setzen, dass diese draußen kriminelle Geschäfte für die Dealer im Knast durchführen. Was wie aus einem Film klingt, scheint in der JVA Meppen Realität zu sein.

Alle Häftlinge, die sich in den Videos äußern, kritisieren, dass andere Haftanstalten dort wesentlich disziplinierter und rigoroser sind. Und in Meppen? „Meppen ist die letzte Stufe, was Drogen angeht und wie man mit dir umgeht“, so Eugen. Es sei dort einfacher an Drogen zu kommen, als draußen in der Freiheit, behauptet ein anderer Insasse. Die Drogenpakete werden über den Zaun geworfen, kommen über die Wäscherei oder Gastro rein, durch Besucher - teilweise soll es sogar Fake-Besucher geben, die ihren Angehörigen gar nicht kennen - bis hin zu Flügen mit der Drohne und Abwürfen aus der Luft. Und wer sich wehrt und Kritik äußert, wird unmittelbar verlegt, um ihn mundtot zu machen. Und wer als Drogenkonsument Hilfe sucht und um einen Entzug bittet, wird einfach weggeschickt. Es sind ungeheure Vorwürfe, die die Insassen machen. Und das Drogenproblem ist längst nicht alles.

Auch eine Resozialisierung findet nicht statt. „Ich suche die Unterstützung, aber bekomme nichts. Und ich habe das Gefühl, hier wird mir nicht geholfen. Ich habe Angst, auf der Straße zu landen, wenn ich hier rauskomme. Und ich bin mir sicher, dass ich wiederkomme“, räumt ein Insasse resigniert ein. Er habe weder eine Entlassungsvorbereitung bekommen, noch konnte er sich auf eine Wohnungssuche begeben. Die Ärzte wären untätig, obwohl die Insassen fragen. Ein Spice-Konsument erklärt: „Der Arzt hat gesagt, ich soll morgens eine Schlaftablette nehmen und wieder gehen.“ Einheitlich behaupten alle, dass von den 20 Insassen im angesprochenen Gefängnishaus 16 regelmäßig unter Drogen stehen. 

Ebenfalls desolat seien die Zellen. Fotos aus der JVA zeigen offen liegende Rohre, völlig verdreckte Toiletten, aufgeplatzte Klobrillen, verschimmeltes Essen. „Es sind mehrere Hafträume betroffen. Wenn jemand verlegt wurde, will man umziehen. Ich musste mir auch eine Fernbedienung besorgen, denn die Beamten helfen gar nicht. Ich habe gesagt, sie sollen mir einen Eimer Farbe stellen, ich mache den Rest. Da hieß es, ich wäre nicht der einzige.“

Doch die Drogenproblematik sei das größte Problem. Mit den Missständen konfrontiert, erklärt das niedersächische Justizministerium: „Die Behauptung, es bestehe in der JVA Meppen eine besondere „Wegschau“-Mentalität, ist nicht zutreffend und wird entschieden zurückgewiesen. Die Bekämpfung der innervollzuglichen Betäubungsmittelproblematik nimmt eine herausragende Stellung für die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugseinrichtungen ein und wird mit den zur Verfügung stehenden Mitteln in allen Anstalten gleichermaßen weiter vorangetrieben.“ Gleichermaßen wird bestätigt, dass es 2023 alleine 14 Rettungsdiensteinsätze wegen Drogenkonsum. 14 Einsätze, obwohl eigentlich Drogen gar nicht erlaubt sind. Zudem seien vergangenes Jahr 63 Betäubungsmittelsicherstellungen zur strafrechtlichen Überprüfung eingereicht worden. Warum es nicht mehr ist? Weil laut Eugen weggeschaut wird. „Die Durchsuchungen sind allenfalls oberflächlich. Da wird kurz reingeschaut und das war es.“

Aufgezeichnet wurden die Videos überwiegend Anfang diesen Jahres. Die Berichte wurden ohne die Filmaufnahmen bislang veröffentlicht. Das Justizministerium spricht auf Nachfrage, was seitdem geändert wurde, davon, dass ein steter Verbesserungsprozess stattfindet und Maßnahmen ergriffen werden, unabhängig einer medialen Berichterstattung. Doch diese Maßnahmen scheinen nicht zu greifen. Denn am Dienstag dieser Woche wurde neues Videomaterial publik, in dem Insassen völlig betrunken selbstgebrannten Schnaps und Absinth konsumieren. 


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