niedersachsen
Donnerstag, 01. Oktober 2020
Delmenhorst, Niedersachsen
News-Nr.: 34208

Umweltalarm nach Großbrand und ungehörte Warnungen:
Nach Großfeuer in Delmenhorst vor einer Woche sind Giftstoffe von offenbar illegal gelagertem Material in Grundwasser und Fluss geraten – Nach Fischsterben blieb Warnung durch Stadt bisher aus – Erst auf Nachfrage wurden Familien gebeten Kinder möglichst nicht im Garten spielen zu lassen

Bürgerinitiative fordert nun rasche Transparenz und Aufklärung, nachdem Anwohner schon nach Vorfällen der vergangenen Jahren auf dem Areal immer wieder die Behörden informierten – ohne Reaktion - „Augenscheinlich ist das so, dass das Kind erst in den Brunnen fallen muss, bevor dieser Brunnen dann zugenagelt wird - mit dem Kind schon drin“ - Flusslauf durch Naturschutzgebiet komplett tot

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Datum: Donnerstag, 01. Oktober 2020

Ort: Delmenhorst, Niedersachsen

 

(et/gs) Nach einem Großfeuer auf einem Industriegelände inmitten von Wohnbebauung am Stadtrand von Delmenhorst vor einer Woche leben die Anwohner weiter mit einer großen Angst und zurück bleiben viele Fragen, Wut und Ungewissheit – denn offenbar war es eine Katastrophe mit Ansage.

Flammen loderten meterhoch in den Himmel, Dachplatten platzten, Explosionen: Das Feuer auf dem Gelände einer ehemaligen Kunststofffabrik in Delmenhorst-Deichhorst hatte es in sich. Gut zwei dutzend Autos brannten in und um einen Hallenkomplex, darin verschiedene Lagerbereiche und Autowerkstätten. Die Feuerwehr sah sich nicht nur einem extrem Brandereignis gegenüber, sondern auch einem unübersichtlichen Gelände mit unbekannten Gefahren und einer mangelhaften Löschwasserversorgung gegenüber, denn an der einzigen Zuwegung lag lediglich eine Wasserleitung an, die den enormen Wasserbedarf nicht decken konnte. Aus der ganzen Region mussten Tanklöschwagen eingesetzt werden, um Wasser herbeizuschaffen. Doch dieses Problem drängte in den Hintergrund, wenn man nur einen Tag später mit ganz anderen Folgen konfrontiert wurde: Im nahegelegenen Fluss Welse, der durch das Naturschutzgebiet „Tiergarten“ und den Stadtbereich verläuft, verendeten plötzlich alle Fische: „Der Fluss roch wie auf einer Tankstelle oder Raffinerie“, erinnert sich Christian Marbach, Anwohner des Tiergartens. Zwar hatte die Feuerwehr zu Beginn der Löscharbeiten dafür gesorgt, dass Gullys abgedichtet wurden, die Stadtwerke waren im Einsatz, um Löschwasser abzupumpen – trotzdem lief offenbar kontaminiertes Wasser in den Fluss. „Wir haben hier in der Welse absolut kein Leben mehr,“, erzählt Detlef Ross, Ratsherr der SPD und 1. Vorsitzender des Fischereivereins der Stadt, „die Fische sind nicht an Sauerstoffmangel gestorben, sondern die sind einfach vergiftet worden.“ Doch obwohl die Stadt sofort Kenntnis hatte von der Vergiftung des Flusses, blieben Informationen an die Bevölkerung aus. Proben wurden entnommen, die nun untersucht werden. Anwohner bemühten sich selber um Informationen bei der Stadt: „Auf uns Nachbarn ist noch keiner zugekommen,“ erzählt Anwohnerin Wiebke Machel, „Nachbarn haben erst nach mehrfacher Nachfrage Auskunft erhalten, dass es nicht so gesund ist für Kinder und Tiere gerade den Garten zu nutzen.“

Inzwischen wurde auf Nachfrage der Lokalzeitung bekannt, dass auf dem Industriegelände in großen Mengen illegal gefährliche Stoffe gelagert waren. In einer Stellungnahme der Stadt gegenüber dem „Delmenhorster Kreisblatt“ heißt es: „Hier wurden laut Auskunft des Nutzers gegenüber Polizei und Stadt circa 20.000 Liter Reiniger/Flüssigseife, circa 1000 Liter Altöl sowie circa 100 Liter Diesel in Tankcontainern gelagert, weiterhin zahlreiche Paletten mit Reinigungstabletten.“

Dass es auf dem Gelände sicherheitsrelevante Probleme gibt, ist offenbar nicht erst nach einem Brandereignis genau vor einem Jahr bekannt. Ratsfrau Bettina Oestermann hatte im Oktober 2019 eine Anfrage über die Missstände an die Verwaltung gerichtet – eine Antwort blieb aus. Auch Anwohner-Beschwerden blieben unbeantwortet: „E-Mail Verkehr gab es nur in eine Richtung: Von uns zur Stadt, also von uns zum Ordnungsamt, von uns zur Polizei - und es kam einfach nichts zurück,“ so Anwohnerin Wiebke Machel frustriert, „wenn man etwas meldet, heißt es immer, dass es Privatgelände sei, man könne nichts machen.“

Zusammen mit anderen Betroffenen hat Machel nun eine Bürgerinitiative gegründet, um endlich erhört zu werden. „Augenscheinlich ist das so, dass das Kind erst in den Brunnen fallen muss, bevor dieser Brunnen dann zugenagelt wird mit dem Kind schon drin“, so Anwohner Dr. Heinrich Lau. Der Oberbürgermeister Axel Jahnz zeigt Verständnis für die Sorgen der Anwohner, bittet aber um Verständnis, dass man erst die Laborergebnisse abwarten müsse, um Klarheit zu haben, "Ich kann den Ärger auch verstehen, es wird eine Bürgerversammlung geben und es muss etwas geschehen auf dem Gelände".

Alle sind sich indes einig, dass die Feuerwehr keine Schuld trifft: „Die Feuerwehr hat großartige Arbeit geleistet“, so die Anwohner. Aber im Nachgang fühlt man sich nun alleingelassen: „Das ist schon ernst zu nehmen, dass da Giftstoffe weiter geschwemmt worden sind,“ erkennt auch Ratsfrau Bettina Oestermann, die nun versucht einen Bürgerdialog zu schaffen, „ich bin mit den Anwohnern ins Gespräch gekommen und habe gehört, wie groß der Redebedarf ist.“

Anwohner wollen Klarheit über mögliche Umweltgifte, die der Brand hinterlassen hat – zeitnah.

Die Vergiftung des Flusses hat jetzt schon langjährige Folgen: „Wir müssen davon ausgehen, dass hier der gesamte Tierbestand wieder aufgebaut werden muss,“ erklärt Detlef Ross vom Fischereiverein, „das dauert 5-6 Jahre.“

 


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