niedersachsen
Donnerstag, 18. Dezember 2014, ca. 14:30 Uhr
Delmenhorst, Niedersachsen
News-Nr.: 19759

Fall "Niels H." :
Klinikum Delmenhorst wird sich erstmals zu den Mordermittlungen äußern

Sprecher der Nebenklage äußert sich enttäuscht über Ergebnis der PK - "Hat nichts neues gebracht"

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Datum: Donnerstag, 18. Dezember 2014, ca. 14:30 Uhr

Ort: Delmenhorst, Niedersachsen

 

(ah) Am Nachmittag wird sich das Klinikum Delmenhorst auf einer Pressekonferenz erstmals zu den Mordermittlungen gegen Niels H. äußern. Der ehemalige Krankenpfleger, der unter anderem auch in dem Krankenhaus arbeitete, soll Patienten eine Überdosis eines Herzmittels gespritzt haben und könnte so zahlreiche Menschen zu Tode gebracht haben. Er steht in diesen Wochen wegen dreifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs vor Gericht. Eine Sonderkommission ermittelt derzeit, für wie viele Todesfälle Niels H. insgesamt verantwortlich ist; es wird in der Öffentlichkeit über mehr als 180 mögliche Fälle spekuliert. In der Haft soll der 37-Jährige damit geprahlt haben, "der größte Verbrecher der Nachkriegszeit" zu sein; er habe "bei 50 aufgehört haben zu zählen".

 

Die NonstopNews-Bilder und die O-Töne:

  • Außenshot des Veranstaltungsgebäudes
  • Viele Pressevertreter vor Ort
  • Journalisten schreiben an Laptops
  • Geschäftsführung äußert sich zu Nils H.
  • O-Ton Sonja G. Drumm, Geschäftsführerin Klinikum Delmenhorst: (Bild leider unscharf) (wörtlich) "...Erst im Mai dieses Jahres habe ich die Geschäftsführung des Klinikums Delmenhorst übernommen. Nach gerade einmal viereinhalb Monaten im Amt wurde ich Mitte September mit den Ermittlungen und Geschehnissen um Niels H., einen ehemaligen Mitarbeiter des Klinikums, konfrontiert.
    Seitdem stehe ich vor der komplexen Aufgabe, die Wahrheit herauszufinden. Was ist damals wirklich passiert? Gab es Anzeichen für die aktuell vermutete Dimension der durch Niels H. vermeintlich verursachten Todesfälle? Hätten diese Anzeichen erkannt werden können? Uns allen ist klar, dass ohne Zutun des angeklagten Niels H. – also ohne ein Geständnis – eine annähernd vollständige Aufklärung nie gelingen wird. Mir ist jedoch auch bewusst wie verunsichert, hilflos, traurig und wütend aktuell viele Menschen sind, deren Angehörige vor gut zehn Jahren auf der Intensivstation des Klinikums verstorben sind. Ich möchte diesen Angehörigen und Ihren Familien mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Seit Prozessbeginn versuche ich daher, in zahlreichen Gesprächen und anhand von Protokollen und Aufzeichnungen, zu verstehen, was vor zehn Jahren passiert ist. Meine aktuelle Aufgabe ist es, die Ermittlungsbehörden in jeder Hinsicht zu unterstützen. Ich möchte Klarheit schaffen für die Hinterbliebenen, aber auch für die Mitarbeiter meines Krankenhauses. Doch dies ist vor allem mit Blick auf die lange Zeitspanne - von 2005 bis heute - schwierig. Handelnde Akteure sind nicht mehr tätig oder haben den Arbeitgeber gewechselt. Fakten und vermeintliche Erinnerungen – die wohlgemerkt oftmals auf unserem heutigen Wissensstand basieren – vermischen sich und werden zu einer neuen, vermeintlichen Realität.
    Doch zunächst zu den Fakten:
    Von Dezember 2002 bis Juli 2005 war Niels H. am Klinikum Delmenhorst auf der Intensivstation als Pfleger beschäftigt. Aufgrund eines Vorfalles auf der Intensivstation im Juni 2005 und der anschließenden Anzeige durch die Klinikleitung wurde er 2006 wegen versuchten Totschlages in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Gutachter stellten damals fest, dass der schwer kranke Patient nach dem Vorfall an den Folgen seiner Grunderkrankung verstorben war. Das für eine derartige Handlung kein lebenslanges Berufsverbot ausgesprochen wurde, schockierte nicht nur die damalige Krankenhausleitung. Nach Revision des Urteils wurde
    im Jahr 2008 Niels H. schließlich wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Außerdem wurde ihm für immer verboten, den Beruf eines Krankenpflegers oder eine Tätigkeit in der Pflege oder im Rettungswesen auszuüben. Im Urteil wurde festgestellt, dass Niels H. einem Patienten des Klinikums ohne ärztliche Anordnung das Herzmittel Gilurytmal verabreicht hatte. Leere Ampullen dieses Mittels und eine Blutprobe des Patienten, in welcher der Wirkstoff Ajmalin nachgewiesen wurde, waren im Rahmen der Ermittlungen sichergestellt worden. Die Gabe von Gilurytmal war bei diesem Patienten weder medizinisch sinnvoll, noch angeordnet oder dokumentiert. Wie im damaligen und im aktuell laufenden Prozess bereits mehrfach ausgeführt wurde, wird Gilurytmal zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Seit 2009 ermittelte die Polizei erneut. Aufgrund eines neuen Laborverfahrens konnten Rückstände von Ajmalin nun in menschlichen Knochen nachgewiesen werden, wenn der Patient kurze Zeit nach der Medikamentengabe verstarb. Diese Ermittlungen führten zum aktuellen Prozess. Die Anklage gegen Niels H. bei Prozessbeginn am 11. September 2014 lautete auf dreifachen Mord und zweifachen Mordversuch an fünf Patienten der Intensivstation in den Jahren 2003, 2004 und 2005.
    Ende Oktober 2014 wurden zusätzliche Patientenakten für weitere Ermittlungen an die Kriminalpolizei übergeben. Es handelt sich um 167 Krankenakten von Patienten, die auf der Intensivstation des Klinikums während der Dienstzeiten von Niels H. verstarben. Selbstverständlich unterstützt die Klinikleitung die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Dennoch muss festgestellt werden, dass bereits die damalige Krankenhausleitung im Jahr 2005 auf die im Nachhinein bemerkte erhöhte Todesstatistik hingewiesen hatte. Die an die Ermittlungsbehörden übergebenen Daten und Fakten sind demnach nicht neu. Mit Blick auf meine Mitarbeiter möchte ich ganz deutlich betonen, dass es sich bei den vermeintlichen Taten des Niels H. um die Taten eines fehlgeleiteten Einzeltäters handelt. Den in der Öffentlichkeit immer wieder zu hörenden Vorwurf, dass Mitarbeiter bewusst weggesehen hätten, kann ich nach meinem heutigen Kenntnisstand nicht bestätigen. Der damalige Pfleger Niels H. hat mit dem heute vor Gericht stehenden Angeklagten, der in den Medien als „bulliger Typ“ oder „Klinikkiller“ bezeichnet wird, wenig gemein. Das Bild eines Monsters bestätigen Erzählungen und Bilder der damaligen Zeit nicht. Niels H. war bei Mitarbeitern beliebt, medizinisch versiert, sympathisch und hatte eine gepflegte Erscheinung. Insofern widersprachen auch die Beurteilungen des Klinikums Oldenburg zunächst nicht dem Bild des von uns aufgrund des hervorragenden Zeugnisses eingestellten Mitarbeiters. Heute vermuten wir, dass eine Beschreibung mit den Worten „Er arbeitete umsichtig, gewissenhaft und selbständig. In kritischen Situationen handelte er überlegt und sachlich richtig“ wohl bereits in Oldenburg nicht angemessen war. Doch auch wir ließen uns schließlich ohne Vorwarnung oder Verdacht von Niels H. täuschen. Umso tiefer war der Vertrauensverlust der Mitarbeiter der Intensivstation untereinander als Niels H. im Jahr 2005 von einer Kollegin quasi „auf frischer Tat ertappt“ wurde. Die Arbeit in so sensiblen Bereichen wie Pflegeheimen oder Krankenhäusern erfordert unter den Mitarbeitern gegenseitiges Vertrauen. Insbesondere auf Intensivstationen ist in kritischen Situationen schnelles Handeln gefragt. Wenn der Arzt zum Beispiel während einer Reanimation ein Medikament anweist, wird dieses in der Regel von Pflegekräften vorbereitet. Jeder Arzt und jede Pflegekraft geht davon aus, dass es nicht nur ein Beruf sondern eine Berufung ist, auf einer Intensivstation Menschenleben zu retten und Patienten wenn möglich zu heilen. Niemand vermutete damals eine bösartige Handlung oder gar Tötungsabsicht. Entgegen der Behauptungen des Klinikums Oldenburg wurde im Jahr 2002 auf der Intensivstation unseres Hauses bereits per PC bestellt. Die Intensivstation war nach heutigen Erkenntnissen damals als Modellstation für die Umstellung von Papier- auf Softwarebestellung ausgewählt worden. Es erfolgte auch eine Passwortfreigabe. Allerdings entsprach diese nach unseren Unterlagen nicht den Anforderungen an heute vergebene Passwörter. In der Pressekonferenz des Klinikums Oldenburg am 25. November 2014 wurde auch eine Sitzung der Arzneimittelkommission vom 13. April 2004 zitiert. Die Oldenburger Geschäftsführung führte dazu wortwörtlich aus „Auf den gesteigerten Gilurytmal-Verbrauch wurde das Klinikum Delmenhorst seinerzeit auch noch ausdrücklich im Jahr 2004 hingewiesen“. Das Klinikum Oldenburg hat diese Äußerung zwischenzeitlich zurückgenommen. Die Arzneimittelkommission unter Vorsitz und Leitung des Apothekers tagt zweimal jährlich. Im Protokoll der Arzneimittelkommission vom 13. April 2004 ist Gilurytmal in einer Liste von insgesamt 16 Medikamenten aufgeführt. Diese 16 Medikamente wurden aufgrund der hohen Zahl an Sonderanforderungen in die Arzneimittelliste aufgenommen und konnten ab diesem Zeitpunkt über eine Liste in der Bestellsoftware aufgerufen werden. Wenn ein Medikament oft bestellt wird, ist es sinnvoll, den Bestellvorgang zu vereinfachen und damit Abläufe zu optimieren. Aus dem Protokoll geht auch hervor, dass über verschiedene Medikamente beraten wurde. Über Gilurytmal wurde laut Protokoll nicht gesprochen. Auch finden sich in den Notizen verschiedener Sitzungsteilnehmer keine Anmerkungen zu diesem Medikament. Grundlage für die Entscheidung, ein Medikament zu listen, ist immer eine statistische Auswertung der Apotheke. Diese 36-seitige Auswertung mit Zahlenkolonnen wird im Vorfeld zur Sitzungsvorbereitung an alle Teilnehmer der Arzneimittelkommission verteilt. Für den Zeitraum Januar bis März 2004 war in der Einladung für die Arzneimittelkommission ein Verbrauch von 25 Verpackungen Gilurytmal vermerkt. Weitere Hinweise auf einen erhöhten Verbrauch gab es zum damaligen Zeitpunkt nicht. Bitte nehmen Sie noch einmal bewusst zur Kenntnis, dass wir nicht von Betäubungsmitteln sprechen, für die in Deutschland gesonderte Regelungen gelten. Gilurytmal ist, falsch angewendet, ein tödliches Medikament. Doch auch Insulin oder Betablocker, beide werden nicht nur in Krankenhäusern verwendet, können in einer falschen Dosis tödlich wirken, wenn sie unsachgemäß angewandt werden. Und noch eines möchte ich betonen, die statistische Auswertung des Gilurytmal- Verbrauchs, die auch im aktuellen Prozess erneut angeführt wurde, ist im Nachhinein – also nach Bekanntwerden des Vorfalles im Jahr 2005 erstellt worden. Das gleiche gilt für eine Erhebung der Sterberaten. Eine fortlaufende Todes-Statistik, aus der hervorging, wie viele Patienten auf welcher Station verstorben waren, gab es im Klinikum erst seit Mitte 2005. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung entsprechender Daten gibt es nicht. Erst nachdem 2005 gegen Niels H. ermittelt wurde, gibt es ein Monitoring dieser Kennzahl in unserem Hause. Sollte eine Verantwortlichkeit des Klinikums im Rahmen der laufenden Verfahren festgestellt werden, so werden wir uns selbstverständlich dieser Verantwortung auch
    gegenüber den Angehörigen stellen. Unser vorrangiges Ziel ist es jedoch, zunächst im größtmöglichen Maße die Vorgänge aufzuklären. Denn nur wenn wir alle Fakten kennen, können wir unserer Verantwortung auch voll umfänglich und in ganzem Maße gerecht werden. Natürlich sind wir auch gesprächsbereit. Angehörige von Patienten, die zwischen Dezember 2002 und Juli 2005 auf der Intensivstation verstorben sind, können sich bei uns im Klinikum melden. Wir bieten den Angehörigen Einsicht in die Patientenakte im Beisein eines Arztes an und beantworten laienverständlich alle Fragen zur Todesursache soweit wir sie nach Aktenlage beurteilen können. Seit Prozessbeginn im September haben bisher zehn Familien diese Möglichkeit genutzt."
  • O-Ton Erich Joester, Rechtsanwalt Klinikum Delmenhorst: ... Über die parallelen des Buches "Patiententötung" von Herbert Maisch ... Als ich nach Delmenhorst gerufen wurde dachte ich mit, sowas habe ich doch schon mal irgendwo gelesen.
  • Einzel-O-Ton mit Erich Joester, Rechtsanwalt:
  • O-Ton Christian Marbach, Angehöriger eines Opfers, Nebenklage: ...kritisiert die PK...hat nichts neues gebracht...Klinikum stellt sich nicht ausreichend den Vorwürfen...
  • Schnittbilder

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