Bei Europas größtem Zirkus liegen offenbar die Nerven blank:
Protest gegen Wildtierhaltung: Tierschützer setzen Circus Krone zu
Circus Krone will bei Gastspiel in Balingen mit Polizei gegen Kamerateam vorgehen – Zeitungsredakteur fliegt von Pressetermin
Datum: Donnerstag, 16. Mai 2013 (Drehtag: Sonntag, 12. Mai)
Ort: Balingen, Zollernalbkreis, Baden-Württemberg
(mwü/mcm) Er ist der größte Zirkus Europas, doch wo Circus Krone seine Zelte aufschlägt, regt sich zunehmend Protest. Und das, obwohl sich die Zirkusleute gern als moderne Arche Noah bezeichnen. Nicht nur im Internet rufen Tierschützer zum Boykott des Zirkus auf, auch auf der Straße demonstrieren sie gegen die ihrer Meinung nach nicht artgerechte Tierhaltung. Beim Zirkus liegen die Nerven offenbar blank. Gleich zwei Mal hat sich der Zirkus jetzt sogar mit Journalisten angelegt – weil die aus Sicht des Zirkus voreingenommen berichten. Ein Zeitungsredakteur einer Lokalzeitung flog in der vergangenen Woche von einem Pressetermin, weil er zuvor über die geplante Aktion eines Tierschützers im schwäbischen Balingen berichtet hatte. Dadurch fühlte man sich beim Zirkus wohl auf den Schlips getreten. Das Verhältnis zur sonst meist wohlgesonnenen Lokalpresse: zerrüttet. Am Sonntag wandten sich die Zirkusleute dann sogar an die Polizei – weil ein Kamerateam von NonstopNews vor dem Eingang des Zirkus Besucher interviewte.
Fast schüchtern wirkt Tierschützer Michael Schempp, über den die Polizei sagt, dass es mit ihm keinerlei Probleme gebe. Doch Zirkussprecherin Susanne Matzenau lässt kein gutes Haar an dem 26-jährigen Informatiker und seinen Mitstreitern. Ihnen gehe es überhaupt nicht um den Tierschutz, sagt sie, sondern darum, alle Tiere aus der menschlichen Obhut zu verbannen. Michael Schempp widerspricht dieser Darstellung: „Ich denke, es gibt Tierarten, etwa Hunde, die auch in einem Zirkusunternehmen artgerecht gehalten werden können.“ Er zweifelt nicht an, dass die Wildtierhaltung bei Krone den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, findet das jedoch nicht ausreichend: „Circus Krone hält sich mittlerweile wahrscheinlich weitgehend an die Leitlinien, unserer Meinung nach ist es aber nicht möglich, nach diesen Leitlinien Wildtiere artgerecht zu halten.“ Das Amtsgericht Darmstadt verhängte 2009 ein Bußgeld über Circus Krone wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Auch vonseiten der Veterinärämter kam es wiederholt zu Beanstandungen. Susanne Matzenau sagt dazu: „Das sind keine berechtigten Vorwürfe.“ Die Tiere hätten genügend Beschäftigung und Auslauf gehabt, auch für beheizte Ställe sei gesorgt worden. „Wir sind die größten Tierschützer, die es gibt, denn wir sind für unsere Tiere da“, beteuert Matzenau. Tierschützer Schempp kann da nur mit dem Kopf schütteln. „Ich frage mich, warum sie dann nicht wirklichen Tierschutz betreiben und die Tiere in eine Auffangstation geben“, sagt er. Dort müssten die Tiere keine Auftritte in der Manege machen, die Schempp für nicht artgerecht hält. Außerdem seien die Tiere dort nicht angekettet.
Die Zirkusbesucher reagieren unterschiedlich auf die Aktion der Tierschützer. Er vertraue darauf, dass es den Tieren gut geht, denn Circus Krone könne es sich doch gar nicht erlauben, dass etwas nicht in Ordnung ist, sagt ein Besucher. Andere gehen mit gemischten Gefühlen in die Vorstellung. Eigentlich seien Wildtiere im Zirkus nicht in Ordnung, wird mehrfach geäußert, und viele sagen, sie gingen nur der Kinder wegen in die Vorstellung. Michael Schempp hofft, dass er die Besucher mit seiner Aktion zum Nachdenken gebracht hat. Den Zirkus an sich will er nicht abschaffen: „Der Zirkus der Zukunft ist mit Menschen und schöner Artistik, denke ich. Das ist der richtige Weg, heute, da wir wissen, dass Tiere leiden können.“
In eigener Sache:
Die Leute bei Circus Krone scheinen durch Aktionen wie die im schwäbischen Balingen zunehmend in Bedrängnis zu geraten. Nachdem die Anfrage unseres Kamerateams für eine Drehgenehmigung nicht beantwortet wurde – nach Aussage der Pressesprecherin war sie in der Zentrale in München untergegangen – wurde uns am Sonntag nicht gestattet auf dem Zirkusgelände zu drehen. Begründet wurde dies damit, dass Abbautag sei und die Tiere nur während geführter Pressetermine gezeigt würden. Unserem Team gelang es dennoch, von außerhalb des Geländes Aufnahmen eines webenden Elefanten zu machen. Das sogenannte Weben ist nach gängiger Expertenmeinung eine Verhaltensstörung, die sich bei Elefanten in Gefangenschaft häufig beobachten lässt.
Mit unserer Anfrage wollten wir dem Zirkus Gelegenheit geben, sich zu den Vorwürfen der Tierschützer zu äußern. Vonseiten des Zirkus wurde diesem Vorhaben lautstark und ungehalten begegnet. Die Pressesprecherin behauptete, eine objektive Berichterstattung sei durch unser Team in keiner Weise gewährleistet: Unsere Reporter hätten Besucher gefragt, ob sie sich nicht schämten in den Zirkus zu gehen. Das ist falsch, wie das gedrehte Material aus der stets mitlaufenden Kamera eindeutig beweist. Das Material zeigt auch, wie die Pressesprecherin von Circus Krone auf Journalisten reagiert, die ihr außerhalb der geführten Pressetermine begegnen: Sie wandte sich an die Polizei. Diese bestätigte die Rechtmäßigkeit der Dreharbeiten unseres Teams.
Bereits in der vergangenen Woche hatte sich der Zirkus mit einem Redakteur des Zollern-Alb-Kuriers angelegt. Er hatte in der Mittwochsausgabe über die Protestaktion des Tierschützers Michael Schempp berichtet, in dem auch der Zirkus zu Wort kam. Als der Redakteur am selben Tag – wie mit dem Zirkus vereinbart – gemeinsam mit Schempp einen Pressetermin bei Krone wahrnahm, wurde er zur Seite genommen. Auch ihm wurde vorgeworfen, er würde nicht neutral berichten. Dem Kollegen wurde gedroht, offenbar weil man sich seitens des Zirkus durch den bereits erschienenen Artikel auf den Schlips getreten fühlte. Kurze Zeit später wurde der Redakteur des Geländes verwiesen.
Die NonstopNews-Bilder und die O-Töne:
- Totale Zirkuszelt auf Messegelände in Balingen, Blick von außen auf Gelände
- Blick durch Zaun, offenbar verhaltensgestörter Elefant webt
- Mitarbeiterin entdeckt Kamerateam und fragt „was machen Sie da?“ (pixeln!)
- Demonstranten vor Eingang auf Messegelände, Plakate, Transparente
- Demonstrant hängt vor Eingang Transparent an Auto auf (Kennzeichen pixeln!)
- Angekettete Demonstrantin in Elefantenkostüm, diverse Einstellungen
- Polizisten bei Ansprache, im Gespräch mit Michael Schempp
- Demonstrantin hängt Plakat an Zaun auf
- Blick durch Zäune auf Gelände, Elefanten und Pferde werden ins Zelt geführt
- Blick auf Zaun, Zirkus im Hintergrund
- Streitgespräch mit Dr. Susanne Matzenau, Pressesprecherin Circus Krone (wirft dem Kamerateam fälschlicherweise vor Besucher gefragt zu haben, ob sie sich nicht schämen in den Zirkus zu gehen / war bei der Polizei, die bestätigt hat, dass das Kamerateam auf öffentlichem Gelände drehen darf / „Sie können mir viel zeigen“ (gemeint ist die Anfrage des Kamerateams für eine Drehgenehmigung auf dem Gelände, Kameramann zeigt E-Mail an Krone auf Smartphone) / „Eine objektive Berichterstattung ist durch Sie in keiner Weise gewährleistet.“
- Screenshot Zeitungsartikel (Mittwochsausgabe Zollern-Alb-Kurier, 8. Mai 2013)
- O-Ton Michael Schempp, Tierschützer (ausführlich, hier auszugsweise): Wir protestieren gegen die Wildtierhaltung, weil wir der Meinung sind, dass Wildtiere heutzutage nicht mehr zeitgemäß sind im Zirkus ... es ist eine Qual für die Tiere, hier nicht artgerecht gehalten zu werden und nicht artgerechte Kunststücke in der Manege vollführen zu müssen ... Elefanten zum Beispiel müssen angekettet werden, wenn sie nicht unter Aufsicht stehen ... werden mit Ketten an den Beinen fixiert, können nur noch einen Schritt vor, einen zurück … sie verfallen dann in Verhaltensstörungen, wo sie eben immer vom einen auf den anderen Schritt wechseln und mit dem Kopf hin- und herwippen ... ich kann nicht bestreiten, dass alles den gesetzlichen Bestimmungen entspricht ... es gab zwar in der Vergangenheit schon mehrfach behördlich festgestellte Tierquälereien ... Zirkusleitlinien können nicht immer eingehalten werden [führt aus] … Circus Krone hält sich mittlerweile wahrscheinlich weitgehend an die Leitlinien, unserer Meinung nach ist es aber nicht möglich, nach diesen Leitlinien Wildtiere artgerecht zu halten ... es kann sein, dass sie Arten vor dem Aussterben bewahren, allerdings frage ich mich, warum sie dann nicht wirklichen Tierschutz betreiben und diese Tiere in eine Auffangstation geben, ohne Auftritte in der Manege machen zu müssen, die definitiv nicht artgerecht sind oder stundenlang an Ketten angekettet sind … das ist einfach kein Leben … wie die Verhaltensstörungen beweisen, ist es nicht artgerecht für die Tiere … wir möchten Besucher informieren und einfach zeigen, dass es auch eine kritische Haltung gibt zu Wildtieren im Zirkus … wir wollen niemanden abhalten in den Zirkus zu gehen … jeder muss sich selbst eine Meinung bilden und dann entscheiden, ob er das mit seinem Geld unterstützen will … ich denke, es gibt Tierarten, etwa Hunde, die auch in einem Zirkusunternehmen artgerecht gehalten werden können, da kann man sich darüber streiten … muss man von Fall zu Fall unterscheiden … ein Hund ist meiner Meinung nach ein Tier, das ein klassisches Haustier ist, er lässt sich trainieren mit Belohnung und macht das gern, was er tut … er lässt sich meiner Meinung nach artgerecht halten … seit 2003 will der Bundesrat ja schon ein Wildtierverbot für die Zirkusunternehmen in Deutschland aufstellen, genau das fordern wir auch … wir möchten ein Wildtierverbot für alle Zirkusse bundesweit in Deutschland ... viele Länder haben das bereits vorgemacht, Österreich zum Beispiel … ich halte nichts davon [angesprochen auf Tierschützer, die Plakate überkleben] … wenn man den persönlichen Dialog mit den Besuchern sucht, erreicht man immer mehr, wie wenn man Eigentum zerstört oder Plakate überklebt … also das ist nicht unsere Art, den Leuten zu zeigen, dass hier etwas nicht richtig läuft … wir suchen lieber den Dialog … die meisten Leute reagieren interessiert, man kommt ins Gespräch … es gibt auch viel Zuspruch … aber es gibt natürlich auch negative Resonanz … im Großen und Ganzen bekommen wir positive Resonanz … es würde für jeden Zirkus sprechen, wenn er seine Tiere abgibt, damit sie einen schönen Lebensabend verbringen können … der Zirkus der Zukunft ist mit Menschen und schöner Artistik, denke ich … das ist der richtige Weg, heute, da wir wissen, dass Tiere leiden können.
- Diverse situative O-Töne und Vox-Pops mit Besuchern (auszugsweise, hier sinngemäß): Die haben eigentlich schon Recht / Ich bezahle schon für den Tierschutz, damit auch den Tieren in Afrika geholfen wird und ich sehe ja nicht dahinter, ich sehe nur das, was in der Manege passiert … es wird doch alles schlechtgeschrieben, der Affe im Fernsehen soll ja auch gequält worden sein, Menschen werden auch gequält / Ich finde gut, dass der Zirkus Wildtiere zeigt, sonst könnten wir die ja gar nie sehen / Wir gehen nur wegen der Kinder hin / Der Circus Krone kann es sich doch gar nicht erlauben, dass etwas nicht in Ordnung ist, ich vertraue da voll und ganz / [ehemalige Krone-Mitarbeiterin drängt sich vor die Kamera, applaudiert und schimpft:] Die müssten mal eine Saison mitreisen, dann würden sie sehen, wie gut es den Tieren geht … ich habe jahrelang bei Circus Krone gearbeitet und weiß, wovon ich spreche / Eigentlich gehören Wildtiere nicht in den Zirkus, denke ich / Ich muss mich erst mal informieren / Ich gehe mit sehr gemischten Gefühlen rein
- O-Ton Dr. Susanne Matzenau, Pressesprecherin Circus Krone (auszugsweise): Nun, wir haben eine Politik des offenen Hauses, jeder Zuschauer kann sich von der Tierhaltung im Circus Krone überzeugen ... wir hatten auch zwei Mal schon die Presse zu Gast ... wir haben alles geöffnet, alles gezeigt ... es gibt genügend Möglichkeiten, auch in den Pausen ... es gibt öffentliche Proben ... jeder kann vormittags reinsitzen und ansehen, wie die Tiere dressiert, gehalten, gewaschen und wie sie geliebt werden ... das sehen wir selbstverständlich anders [angesprochen auf Bußgelder, die in der Vergangenheit gegen Circus Krone verhängt worden sind] ... das sind keine berechtigten Vorwürfe ... das war so, es gab ein Bußgeldverfahren in Darmstadt ... da wurde bemängelt, dass Mitte November die Elefanten keinen frischen Laubschnitt hatten ... jetzt frage ich mich natürlich, wo man bitteschön frischen Laubschnitt Mitte November herbringen soll ... und dass die Pferde, die gerade von der Probe kamen – es war schon recht kalt – eine Decke über hatten und nicht im Freigelände waren, auch das hatte gesundheitliche Gründe ... [Frage Reporterin: Wenn sie Mitte November die Anforderungen nicht erfüllen können, spricht das denn dann nicht gegen Wildtiere im Zirkus?] ... nun, die Tiere sind ja im Warmen gewesen, wir haben zum Beispiel einen wunderbaren großen Elefantenstall, wir können auch alle anderen Ställe beheizen ... das Problem ist eben zum Beispiel frischer Laubschnitt ... Astschnitt können wir bringen, aber keinen Laubschnitt im November ... das ist ein bisschen schwierig ... [Frage Reporterin: Aber wenn die Tiere das brauchen und Sie das nicht gewährleisten können, dann ist es doch nicht so artgerecht?] ... was heißt brauchen? ... es geht einfach darum, dass sie etwas zum Spielen haben ... wir sind der Meinung, Äste und Heu und Stroh reicht aus ... aber den Tierschützern geht es ja gar nicht darum, ob es den Tieren im Zirkus gut geht, denn sie sind prinzipiell dagegen ... das sind auch keine Tierschützer, sondern Tierrechtler, die wollen nichtmenschliche Tiere, Zitat Originalversion, nicht im Zirkus haben ... den Herrschaften geht es im Endeffekt um alle Tiere in menschlicher Obhut, es geht auch um das Meerschweinchen, das ein kleiner Junge hat ... alle Tiere sollen aus menschlicher Obhut verbannt werden (Anm. der Redaktion: das ist in Bezug auf die Demonstration in Balingen falsch, vergleiche O-Ton Michael Schempp, Tierschützer) ... also ich persönlich habe keinen Journalisten vom Gelände verwiesen, also ich persönlich nicht ... ich weiß, dass eine Führung war, aber nicht, wie es weiterging ... alle Journalisten waren da und es kam auch ein schöner Bericht in der Zeitung ... wir sind gerne bereit, Ihnen die Tiere im Rahmen einer Presseführung zu zeigen, aber heute ist Sonntag, heute ist Abbautag, deshalb mache ich das heute nicht ... noch mal: wir haben eine Politik des offenen Hauses, wir laden gerne die Presse ein ... ich glaube, das reicht uns ... [Frage Reporterin: Aber wenn Sie sagen, Ihre Tiere werden artgerecht gehalten, dann könnte man das doch jederzeit vorführen, oder?] ... selbstverständlich, aber nicht heute und nicht auf die Art und Weise, junge Dame ... [Anmerkung Reporterin: Wir haben ja eine Anfrage gestellt, die wurde gar nicht beantwortet] ... ich persönlich habe Ihre Anfrage nicht bekommen ... Sie stehen nicht auf der Medienliste (Anmerkung der Redaktion: gemeint ist vermutlich ein lokaler E-Mail-Verteiler des örtlichen Rathauses).
Bestellen Sie das TV-Material unter 04221 / 97 30 444 – Standort: Balingen
Wichtiger Hinweis: Die Anforderung von Video- und Bildmaterial ist Redaktionen von Fernsehanstalten und Printmedien vorbehalten. Auf Anfrage können am jeweiligen Geschehen beteiligte Einsatzkräfte, die bei uns registriert sind, TV-Material zu internen, nichtöffentlichen Zwecken anfordern. Die Entscheidung über diese außerredaktionelle Bereitstellung obliegt der Berücksichtigung des Schutzes von Persönlichkeitsrechten der Betroffenen im jeweiligen Fall. Wir bitten um Verständnis.